Greti & Gerhard Nußbaummüller – Tief in Südamerika – Interview

6 Jahre reisten Gerhard und Greti Nußbaummüller mit einem 40 Jahre alten Steyr 680 durch Südamerika. Sie befuhren die 5000 Kilometer lange Ruta 40 und die 1200 Kilometer lange Carretera Austral. Die beiden erlebten den Start einer Ariane-Rakete in Französisch Guyana und befuhren die Straße des Todes in Bolivien. 

In unserer Serie gooutTALKcrazy standen uns die beiden Rede und Antwort. 

Hallo Gerhard, Hallo Greti …

Wann und wo seid Ihr geboren?

Wir sind in Österreich geboren, Greti 1963, Gerhard 1958 nördlich der Donau im Mühlviertel. Beide sind wir aufgewachsen auf den kleinen Landwirtschaften unserer Eltern. Der Marsch zur Schule war früher noch zu Fuß, bei Greti waren es um die 3 Kilometer, bei Gerhard um die 4 Kilometer, eine Strecke, ob Sommer oder Winter.

Was habt Ihr vor Euren Reiseabenteuern gemacht?

Greti hat im Labor einer Textilfirma gearbeitet.

Gerhard hat ursprünglich Maschinenschlosser gelernt, danach die HTL-Abendschule für Maschinenbau besucht. Nach der Matura (Abitur) war er als Leiter der Instandhaltung in einer kunststoffverarbeitenden Firma tätig.

Wir hätten in den Firmen vermutlich bis zur Rente bleiben können, wenn wir nicht frühzeitig aus dem Berufsleben ausgestiegen wären.

Auf Eurer Südamerika-Reise wart Ihr mit einem 40 Jahren alten Steyr 680 unterwegs. Gab es einen Grund, wieso die Wahl genau auf dieses Auto gefallen ist?

Der Markt für gebrauchte LKW, welche als Wohnmobil geeignet sind, war um die Jahrtausendwende in Österreich nicht üppig. Gebrauchte Mercedes Rundhauber waren nicht erhältlich, unser Traum der Steyr 12M18, noch kaum verfügbar. Ein Bekannter hatte einen Steyr 680 als Wohnmobil umgebaut und einen zweiten 680er als Ersatzteilträger gekauft. Da dieses Ersatzteilträgerfahrzeug noch gut erhalten und erschwinglich war, ist unsere Wahl darauf gefallen. Unverwüstlich, aber für heutige Verhältnisse langsam.

Steyr 680M
Steyr 680M

Ihr habt dann den Steyr selbst ausgebaut. Wie lange habt Ihr dafür gebraucht und was war die größte Herausforderung dabei für Euch?

Für den Ausbau unseres „Jimmy“ haben wir 5 Jahre gebraucht. Da ich Gerhard Maschinenbauer bin, war die größte Herausforderung eigentlich die Typisierung des LKW auf ein Wohnmobil bei der Behörde. Viele Details sind abhängig vom zuständigen Sachbearbeiter, jeder hat da seine eigenen Ansichten. In Deutschland scheint dieser Behördengang einfacher zu sein.

Wie habt Ihr das Auto nach Südamerika gebracht? War das kompliziert?

Unser Auto haben wir mit Grimaldi-Line nach Argentinien verschifft. Bei dieser Schiffahrtslinie kann man selbst mit dem Auto an Bord fahren und man ist als Passagier bei der Fahrzeugverschiffung mit dabei. Schon die Überfahrt über den Atlantik ist ein Abenteuer, Dauer 3 bis 5 Wochen, je nach Frachtaufkommen in den verschiedenen Häfen Europas und Afrikas. Kompliziert ist die Verschiffung nicht, man braucht keinen Zollagenten, man spart sich den Flug. Gebucht muss aber fast 1 Jahr vor der Abreise werden, es dürfen max. 12 Passagiere an Bord, Grund dafür ist, bei mehr Passagieren müsste ein Schiffsarzt dabei sein.

Sechs Jahre wart Ihr in Südamerika mit dem Steyr unterwegs. Wieso Südamerika?

Hat es Euch nicht auf andere Kontinente gezogen?

War Euch von Beginn an klar, wie lange Ihr unterwegs sein werdet, oder gab es eigentlich einen anderen Plan?

Diese 3 Fragen müssen wir am Stück beantworten. Unser Plan war in ca. 15 Jahren ein Mal um die Welt zu fahren. 3 Jahre Südamerika, danach 3 Jahre Nordamerika, von dort Verschiffung für 1 Jahr nach Australien. Verschiffung von Australien nach Malaysia und von Malaysia auf dem Landweg über Thailand, Indien, Mongolei, Sibirien irgendwie nach Österreich. Statt 3 Jahre Südamerika sind es 6 Jahre Südamerika geworden. Nach 6 Jahren ununterbrochen auf Achse waren wir so reisemüde, dass wir uns für den Abbruch unserer Weltumrundung entschieden haben. „Reisemüde“, eine Vokabel, welche wir früher nicht kannten. Aber warum reisen, wenn die Luft raus ist. Damals haben wir auch unseren treuen Gefährten „Jimmy“ den Steyr 680 verkauft, niemals mehr reisen war die Devise. Zwischenzeitlich sind wir rückfällig geworden, wir besitzen mittlerweile einen Mercedes Unimog und einen Steyr Puch Pinzgauer als Wohnmobil. 2022 geht es für 4 Monate nach Island und Färöer. Aber reisen über Jahre sind nicht mehr geplant, wir besitzen ein Haus, wer kümmert sich bei allzu langer Abwesenheit darum.

Das Buch zur Reise

Ihr habt die legendäre Ruta 40 in Argentinien befahren, mit 5300 Kilometer eine der längsten Fernstraßen der Welt. Nicht gerade einfach zu befahren, oder? Einige Abschnitte sind wohl nur mit dem Geländewagen zu meistern?

Ja, die Ruta 40, legendär, aber mittlerweile relativ einfach zu befahren, bleibende Erinnerungen daran haben wir wenige. Es wird gebaut und asphaltiert, oft steht bei den Straßenbaustellen Südamerikas das Schild „Finanziert durch die EU“. Gut für die Einheimischen, schlecht für Abenteurer. Landschaftlich viel spektakulärer war die Befahrung der Carretera Austral in Südchile und am spektakulärsten für uns war die Befahrung der Taransamazonica in Brasilien.

Was war die schlimmste Panne auf Eurer Reise?

Bei der Anfahrt auf eine Passhöhe von Chile zum Grenzübergang nach Argentinien auf knapp 3500 Meter Seehöhe plötzlich schwarzer Rauch und viel Öl hinter uns auf der Straße, der erste Gedanke, Motorschaden. Ausgerüstet waren wir gut, Fehlersuche. Nach 15 Minuten aufatmen. Beim Steyr geht zum Anzeigen des Öldruckes ein Schlauch vom Motor direkt zur Druckanzeige in die Fahrerkabine. Dieser Schlauch, unmittelbar hinter dem Auspuffkrümmer war  geplatzt, Motoröl spritzte auf den heißen Auspuff und auf die Straße eine riesige Sauerei. Ersatzschläuche zum Improvisieren waren dabei, Motoröl auch eine Stunde Arbeit und die Reise ging weiter.

Wirklich große Pannen hatten wir nie, ein weiteres Mal war der Kühler leck und mit Reifenpannen muss man bei so einer Reise sowieso rechnen.

Ihr wart 6 Jahre in Südamerika unterwegs. Hat es Euch nicht auf andere Kontinente gezogen?

Nach 3 Jahren Südamerika waren wir oben in Kolumbien ideal um nach Mittelamerika zu verschiffen. Aber dann wollten wir noch Venezuela bereisen, danach ergab sich Guyana und Suriname. Und wenn man schon in der Gegend ist, sollte man in Französisch Guyana den Start einer Ariane-Rakete nicht verpassen. Von Französisch Guyana ist es nicht mehr weit runter zum Amazonas. Die Transamazonica befahren ein Traum und eines der größten Abenteuer für uns, da man kaum Reiseinfos findet. Nach 2000 km Dschungelpiste und Hunderten von abenteuerlichen Brücken sind wir am Ende der Transamazonica südwärts nach Bolivien abgezweigt und haben beschlossen, nochmals nach Feuerland runterzufahren. Und so sind aus geplanten 3 Jahren Südamerika 6 Jahre geworden.

Gab es einen Moment, der Euch besonders positiv in Erinnerung geblieben ist?

Eine der positivsten Erinnerungen ist unser 25-jähriger Hochzeitstag allein auf der unbeschreiblichen Weite am Salar de Uyuni am Altiplano in Bolivien. Unendliche Weite, nachts keine Lichtverschmutzung durch Menschenhand und es ist so leise, dass man eine Ameise furzen hört, das Titelbild unseres Buches.

Was war schöner als Daheim? Was war anstrengender als Daheim?

Schöner als daheim war die Unbeschwertheit der Südamerikaner. Die Menschen leben im heute und im jetzt, keiner denkt an morgen. Was wir uns in Mitteleuropa zu viel an Sorgen über die Zukunft machen, denken diese Menschen eher zu wenig an die Zukunft, der gute Mittelweg wäre ideal. Anstrengend war über 6 Jahre hinweg immer mit seinem Fahrzeug auf fremden Grund zu stehen. Zu Hause fährst du in den Garten, schließt die Tür hinter dir und die Welt kann dich mal. Das geht bei so einer langen Reise nicht.

Eine der spannendsten Fragen für Außenstehende ist immer die Frage nach der Finanzierung. Habt Ihr Euch dazu vorab stark Gedanken gemacht oder vielleicht so lange gespart, bis Ihr das Geld für das Vorhaben zusammen hattet?

Ja, die Finanzierung so einer Reise ist für viele ein Rätsel. Vorab, wir haben keine Kinder.

Um alles zu erklären, müssen wir in der Vergangenheit beginnen. Als wir um die 35 Jahre alt waren, war unser Eigenheim abbezahlt, wir haben uns bis dahin nie Urlaub gegönnt. Da wir nie ein Freund von Massentourismus, Urlaubsanimateuren und Menschenmassen waren, begannen wir mit Abenteuerurlauben. Bei diesen Reisen haben wir nette, einfache und unkomplizierte Menschen kennengelernt, welche uns die Augen geöffnet haben.

Zu Silvester 2000 in der einsamen Wüste Libyens am Vulkankrater des Wau an Namus hatten uns dann Freunde gesagt: „Man arbeitet, um zu leben und lebt nicht, um zu arbeiten. Spart noch einige Jahre und steigt dann aus dem Berufsleben aus!“

Was am Anfang eher noch ein Scherz war, wurde zum konkreten Projekt. Da wir schon ein paar Euro auf dem Sparbuch hatten, begannen wir mit einer Kalkulation und Budgeterstellung. Wie jede Firma für die nächsten Jahre ein Budget erstellt, habe ich budgetiert bis zum 80. Lebensjahr. Was haben wir an Einnahmen, was an Ausgaben, wie viele PKW brauchen wir noch im Leben, was kostet die Sanierung unseres Hauses, … . Wir stellten dabei fest, dass,  wenn wir eisern sparen, wir bis Ende 2010 genug Geld haben, um von Kapital und Zinsen bis zur Pensionierung zu leben. Da wir vorsichtig budgetierten, haben wir unser Ziel bereits Ende 2007 erreicht. Um dieses große Ziel zu erreichen, haben Greti und ich das Gemüse selbst gepflanzt, das Fleisch selbst produziert, das Brot selbst gebacken, Ribiselwein selbst gekeltert, Saft selbst gepresst, mit Abfallholz geheizt und alle sonstigen Ausgaben auf ein Minimum reduziert. Das ganze klingt altmodisch und entspricht nicht der heutigen Konsumgesellschaft, aber es machte und macht uns Spaß.

Krankenversicherung ist auch so ein Thema. War das ein Thema für Euch? Über wenn wart Ihr so lange versichert?

Krankenversicherung ist für viele ein Thema, da haben wir einfach auf Risiko gesetzt. Wir waren die 6 Jahre in Südamerika nicht krankenversichert, in Nordamerika hätten wir uns versichert, aber das hat sich erübrigt.

Was bedeutet Heimat für Euch?

Heimat ist für uns ein Ort, wo man sich geborgen fühlt und wo stabile politische Verhältnisse herrschen. Länder wie z. B. Österreich, Deutschland, die Schweiz und wenige andere sind für uns Heimat und der erste Sechser im Lotto ist, wenn man in so einem Land geboren wird. Bei uns wird gejammert und gesudert auf hohem Niveau. So Dinge wie Corona sind keine Sorgen, die wirklichen Sorgen beginnen, wenn man nicht weiß, was man morgen essen soll oder wo man die nächste Nacht sich verkriechen soll. Unsere Reise hat uns die Augen geöffnet und wir sind täglich dankbar in Mitteleuropa leben zu dürfen.

Letzte Frage: Welchen wichtigen Tipp könnt Ihr anderen Abenteurern mit auf den Weg geben?

„Es ist Unsinn die Erfüllung seiner Lebensträume auf das Alter zu verschieben“

Überlegt euch jeder einmal in einer besinnliche Stunde: „Was ist der Sinn meines Lebens? Bin ich wirklich glücklich?“ Wenn die Antwort ja ist, ändert nichts und lasst alles so wie es ist! Ist die Antwort jedoch nein, ändert es, macht das Beste daraus, denn es ist euer Leben und ihr habt nur eines. Übernehmt Selbstverantwortung und geht weg von Fremdbestimmung, denn ihr werdet täglich manipuliert. Genießt jeden Tag, als ob es der Letzte wäre. Ihr lebt im Hier und Jetzt, nicht in der Vergangenheit und nicht in der Zukunft.

Aber bedenkt immer: Alles im Leben hat seinen Preis und muss hart erarbeitet werden!

Weitere Informationen

weitere Interviews