Mit dem Motorrad um die Ostsee – Teil 6

Etappe 6: Die Baltischen Länder

In diesem Teil fahren Exsozia Ulla und Thomas durch die Baltischen Länder. Von Estland geht es mit den Motorrädern über Lettland nach Litauen.

Stecke: Narva, E20, Tallin, E10, Sarema, E67, Riga, E9, Klaipeda, E11, E272, Vilnius; ca. 2.000 km, 5 Unterkünfte, 18 bis 22 Grad, sonnig bis bewölkt, teilweise windig.

Etappe 6: Die Baltischen Länder

In diesem Teil fahren Exsozia Ulla und Thomas durch die Baltischen Länder. Von Estland geht es mit den Motorrädern über Lettland nach Litauen.

Stecke: Narva, E20, Tallin, E10, Sarema, E67, Riga, E9, Klaipeda, E11, E272, Vilnius; ca. 2.000 km, 5 Unterkünfte, 18 bis 22 Grad, sonnig bis bewölkt, teilweise windig.

Tallin, die Hauptstadt Estlands, hat uns völlig überrascht. Positiv überrascht! Mit einer solch gut restaurierten Altstadt und einer Menge hypermoderner Hochhäuser als Hotels oder Geschäftsbauten hatten wir nicht gerechnet. Schließlich ist Estland erst seit 2004 EU-Mitglied. Hier scheint das Wirtschaftswunder voll gegriffen zu haben. Da waren wir begeistert und haben uns vom Turm der Domkirche Sankt Marien auf dem Domberg gleich mal einen Überblick verschafft. (Eintritt 2 Euro)

 Blick auf Tallin
 Prachttüre in Tallin

Baff war ich beim Bummel durch Tallins geschleckte Altstadt. Nicht nur die Fassaden der mittelalterlichen und klassizistischen Bauten sind vom Feinsten, nein, auch die bunten Eingangsportale laden zum Verweilen beziehungsweise Eintreten ein.

Im ältesten Cafe der Stadt, Cafe Maiasmokk, werden die Marzipanfiguren noch mit der Hand bemalt. Ich liebe Marzipan! Doch diese Kunstwerke sind zum Essen fast zu schade, leider. Dann nehme ich eben eine Figur als Souvenir mit, dachte ich mir. Auf jeden Fall gehörte in meine Souvenir-Tüte außerdem noch Bernstein, das „Gold der Ostsee“. Schmuck und Kunstwerke in jeder Preisklasse werden entlang der ganzen Küste angeboten. Da fiel mir die Entscheidung schwer!

 Bernsteinschmuck, das Gold der Ostsee

Viele Sehenswürdigkeiten von Tallin lohnen sich anzuschauen: die orthodoxe Alexander-Newski-Kathedrale auf dem Domberg, der gemütlichen Rathausplatz mit dem Rathaus aus dem 15. Jahrhundert, die „Drei Schwestern“, drei schöne Giebelhäuser aus der Hansezeit und ein exzellent restauriertes Stück Stadtmauer mit vier begehbaren Wachtürmen. Einst war die Stadtmauer 2,4 Kilometer lang und bestückt mit 45 Türmen. 26 davon sind noch erhalten. (Tipp: Tallina Linnamuuseum; toll gemacht; Eintritt 2 Euro)

Nach drei Tagen Tallin war die Zeit in dieser tollen Stadt leider schon wieder vorbei und Thomas holte sein Motorrad aus der Tiefgarage zum Aufpacken. Aber auch in der Altstadt von Tallin hätte man die Maschinen so wie in Sankt Petersburg auf der Straße parken können, so unsere Überzeugung.

 Altstadtgasse in Tallin

Auf dem Weg rund um die Ostsee ging die Reise auf ellenlangen geraden und superguten Straßen in Richtung Südwesten auf Estlands größte Insel Saarema. Die dortige Provinzhauptstadt Kuressare ist geprägt von einer Bischofsburg aus dem 14. Jahrhundert. An der einstigen Bäderidylle mit hölzernem Kurhaus und anderen Prachtvillen hat allerdings vielfach der Zahn der Zeit genagt.

Viel Spaß hatten wir auf einem Ausflug zum Südwest-Kap der Insel zum Leuchtturm von Sääre. Die 243 Stufen hinauf ließen uns ein wenig außer Puste kommen, aber von oben konnte man ganz viel Meer sehen!

 Leuchtturm von Sääre

Am Meer entlang ging es später weiter in Richtung Riga (Lettland). Allerdings blieb der Blick auf die Ostsee wegen der Küstenbewaldung meist verborgen. Nur ab und zu war die Sicht frei auf die „Baltic Sea“. Der Grenzübergang von Estland nach Lettland war übrigens kaum zu spüren, da beide Länder ja zum Schengen-Raum gehören.

Angekommen in Riga, der Hauptstadt von Lettland, wunderte ich mich auf ein Neues. Auch hier ist der Fortschritt deutlich sichtbar. In der größten Stadt des Baltikums mit rund 700.000 Einwohnern sind Mittelalter, Jugendstil und Moderne aufs Beste vereint. Die imposante Altstadt ist größer und prächtiger als Tallin. Schmucke Jugendstilfassaden, bunte Häuser aus dem Mittelalter und eindrucksvolle Kirchen zogen uns in ihren Bann.

 Auf dem Rathausplatz

Nicht umsonst ist Riga UNESCO-Weltkulturerbe. Einen grandiosen Überblick bekamen wir vom Turm der Petrikirche (Gott sei Dank mit Aufzug!). (Eintritt 6 Euro)

Hier wurde uns bewusst, wie Alt und Neu in Riga nebeneinander existieren. Ein Beispiel dafür: Moderne Bärenkunst steht auf dem alten Rathausplatz vor dem Rathaus und dem Schwarzhäupterhaus, das im 14. Jahrhundert entstand, nach der kompletten Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut wurde und seit 1999 in altem Glanz zu besichtigen ist. (Tipp: Lohnt sich! Eintritt 3 Euro)

 Giebel einer Jugendstilvilla in Riga

Moderne Kunst findet man in der Altstadt von Riga auf Schritt und Tritt, da es hier jede Menge Festivals und Kunstevents gibt. Die Stadt lebt! Die Altstadt ist nicht nur für die Touristen da, wie es bald in Tallin erschien, nein, viele junge Leute aus der Stadt verbringen hier ihre Freizeit oder arbeiten in den umgebauten Altstadtvillen.

Dann wieder der Blick auf die herrlichen Verzierungen an den Fassaden der Jugendstilhäuser! Herrlich! Oder das Eintauchen in die Welt des Mittelalters bei den alten Kaufmannshäusern.

 Drei restaurierte Häuser aus dem Mittelalter

Doch noch ist die Stadt nicht „fertig“. Zu viel muss nach der Zeit des Sozialismus noch nachgeholt werden. Ein Teil der alten Häuser ist dringend sanierungsbedürftig. Doch überall sind Handwerker zugange und bringen „ihre“ Stadt auf Vordermann.

 Parkplatz in Riga

Manche Abrissgrundstücke werden derweil als Parkplatz genutzt. Hier kann man bei 24stündiger Bewachung günstig und sicher parken. So lange, bis es wieder hieß: aufsatteln und weiterreisen.

Danach ging es auf perfekten geraden Straßen in Richtung Westen nach Litauen. Kurz vor Palanga, dem Ort der Sommerfrische für die Bewohner der Stadt Klaipeda, fuhren wir problemlos über die Grenze nach Litauen.

 Auf der Kurischen Nehrung

Von Klaipeda gehen große Fähren nach Schweden und Kiel. Zudem ist die drittgrößte Stadt Litauens das Tor zur Kurischen Nehrung, der zirka 100 Kilometer langen Landzunge, die die Ostsee vom ruhigen Kurischen Haff abtrennt. Ohne Russland-Visum ist dieses UNESCO-Weltnaturerbe allerdings nur etwa bis zur Hälfte zum Künstlerort Nida befahrbar. Dort begrüßten uns nette bunte Holzhäuser und urige Strandbistros. Die Strecke über die Nehrung war allerdings sehr holprig und bot nur wenige Ausblicke auf’s Wasser.

 Holzhaus auf der Kurischen Nehrung
 Berg der Kreuze in Litauen

Sehr beeindruckt waren wir vom Berg der Kreuze (Kryžin kalnas) auf dem Weg nach Vilnius nahe Siauliai. Hier sind über die Jahrzehnte hunderttausende große und kleine Kreuze zur Erinnerung an liebe Angehörige zusammen gekommen. Ein Ort, der Respekt einflößt und Andacht bewirkt.

Völlig entgegengesetzt wirkte Litauens quirlige Hauptstadt Vilnius auf uns. Allein rund 20.000 Studenten sorgen für pulsierendes Leben. Einen Überblick verschafften wir uns mal wieder von oben, vom Glockenturm der Universität. (Eintritt 2,50 Euro mit Aufzug)

 Blick auf Vilnius

Keine andere Stadt des Baltikums empfanden wir als so gegensätzlich wie Vilnius: alte barocke und klassizistische Prachtbauten, modernste Hochhäuser mit Glasfassaden, abbruchreife Bretterbuden, viel Kunst,  neue und auch marode Straßen, ärmste Mütterchen mit löchrigen Strümpfen und immens viele sehr junge gestylte Frauen in superteuren dicken Straßenkreuzern.

Neben den Haupttouristen-Attraktionen wie Kathedrale St. Stanislaus, Palast des Großfürsten, Geminidas-Turm, Gotisches Ensemble und Rathausplatz hatte uns das alternative Stadtviertel Užupis mit seinem italienischen Flair besonders gefallen. Die Einwohner fühlen sich als Teil einer eigenständigen Republik und haben eine eigene Verfassung!

 Stadtteil Uzupis
 Wandgemälde in Vilnius

Skurril kommt die Kunstszene in Vilnius daher, besonders die Straßenkunst an den Gebäuden. Sehr politisch karikiert: der auf Facebook bekannt gewordene Bruderkuss zwischen Trump und Putin, neuerdings als gemeinsames Zigarettenrauchen.

Dann ging es weiter in Richtung Polen. Hier im Südwesten Litauens gibt es endlich mal wieder (wenn auch niedrige) Berge mit leichten Kurven. Ansonsten ist der Norden der Baltischen Länder straßenmäßig eher etwas für Route-66-Liebhaber: endlos lang und kerzengerade.

 Landstraße im Südwesten Litauen

Über Polen und die Heimkehr berichte ich Euch demnächst an dieser Stelle. Wer gerne die bisherigen Etappen nachlesen möchte, findet sie hier im Archiv oder auf der Website  www.ex-sozia.de .

 

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