Nordvietnam – Mit dem Fahrrad von Neu Delhi nach Singapur

Die Einreise von Laos nach Vietnam am Nikolaustag oder die Verabschiedung aus der ruhigen Galaxy

Am Grenzübergang werden wir von einem kleinen Heer Grenzhüter empfangen. Wir scheinen eine willkommene Abwechslung mit unserem Raumschiff…äh… Fahrrädern zwischen all den LKWs zu sein. Zurückhaltung ist im Mikrokosmus Vietnam auf dem Planeten Erde eine Untugend! Mike steigt vom Rad ab und die Beamten versuchen aufzusitzen ohne Vorwarnung. So schaffen sie es innerhalb kürzester Zeit das Raumschiff – äh – Liegerad zweimal umzuwerfen und Mikes Geduld auf die Probe zu stellen. Neue Galaxie – neue Lebensweisen! Ja Vietnam kommt uns doch schon ein wenig außerirdisch vor!

Karte

Das Mofa

bepacktes Mofa in Vietnam

In den nächsten Tage wird sich diese Szene noch häufig wiederholen.  Immer wieder versucht mindestens ein Vietnamese heraufzuklettern, sobald Mike den Hintern vom Rad runter hat. Dabei sind sie eigentlich ganz flink und geschickt und Ruck zuck sitzen sie freudestrahlend drauf. An dieser Stelle muss man zum ersten Mal die tiefgreifende Bedeutung des Motorrollers im Leben eines Mofanesen – äh – Vietnamesen erwähnen. Der Roller scheint hier der wichtigste Begleiter. Er darf überall mithin und ihm wird jedes Geheimnis anvertraut. Er lebt gerne mit im Wohnhaus. Ja er wird tatsächlich ins Wohnzimmer reingefahren und ist unentbehrlich zum Einkaufen und Essen holen. Natürlich wird dabei nicht vom Mofa abgestiegen, sondern die Bestellung ins Geschäft gebrüllt. Des Weiteren dient er als Sitzbank für junge Paare und so mancher verbringt darauf ganz selbstverständlich seinen Mittagsschlaf. Die Liebe zum Zweirad und erst recht zu so einem ausgefallenen wie Mike es nun fährt, liegt ihnen einfach im Blut.

In den folgenden Tagen verabschieden wir uns nach und nach von den Bergen. Die Orte werden umso größer je näher wir dem Meer kommen. Wie schon in Laos ist die Bauweise der Häuser auffällig. Viele von ihnen sind nur drei bis vier Meter breit, dafür aber um die 50 Meter lang. Die Handwerksfamilien, die hier leben haben vorne ihren Laden, dahinter dann die Werkstatt und dahinter die Wohnräume. Die Landschaft ist gesäumt von immer kleiner werdenden Bergen, Menschen die mit Ochsenkarren auf den Feldern arbeiten und zahlreichen Kirchen und Kathedralen.

Der Vietnamese

Gerade Anfangs fällt es uns schwer die Menschen hier richtig einzuschätzen. Einerseits wirken sie respektlos, abgestumpft und teils sogar frech, dann wieder Rum begegnen sie uns witzig und extrem großzügig. So wurde gerne versucht für uns die Hotelpreise neu zu erfinden oder auch Lebensmittel überteuert an uns Weiße zu bringen. Glücklicherweise hatten wir von ihrer Freude zur spontanen Preiserhöhung von anderen Reisenden erfahren. So machten wir uns schon fast einen Spaß daraus zu feilschen und auf einen angemessenen Preis zu bestehen. Trotzdem enttäuschen uns diese Erfahrungen ein wenig. In all den anderen Ländern galt ein Wort beim Verhandeln und auch beim Essen gab es keine Diskussion, alle zahlten dieselben Preise.

Dann wieder Rum bringen uns Menschen zum Erstaunen. Einer „verfolgt“ uns zwei Tage mit dem Roller bis wir uns überreden lassen. Er möchte uns unbedingt zu Kaffee und Kuchen einladen. Als wir gar nicht mehr drum Rum herumkommen ist er glücklich sich mit uns Ausländern auf Englisch zu unterhalten und er stellt sich als überaus freundlich heraus. Ein junger Geschäftsmann lässt es sich nicht nehmen uns zu einem wahrlich fürstlichen Abendessen einzuladen und dann auch noch unser Hotelzimmer zu bezahlen.

Am Meer selbst ist es vergleichsweise ruhig, wir sind außerhalb der Saison. Ganz und gar nicht ruhig ist die Situation auf der Straße. Schrille Hupen und rücksichtslose Fahrweise rauben uns den letzten Nerv. Selbst in Indien und Nepal viel es uns leichter uns dem Verkehrsfluss anzupassen. Doch hier kommen wir nicht auf das Konzept, das hinter dieser Fahrweise steckt! Alle fahren gleichzeitig, auch an der Kreuzung. Dabei geht es unvermeidbar knapp aneinander vorbei! So folgen wir der Küste bis Ha Long City.

Ha Long Bay

Schwimmenden Dörfer in der Ha Long Bucht

Hier kommen wir wieder zum Entspannen und genießen einen sonnigen Tag in der Ha Long Bucht. Wir mieten eine der unzähligen Holzjunken und lassen uns stundenlang um die schönen Berginselchen schippern. Zwischendurch gibts kleine Stops z.B. am TiTop Strand (keine muss, 100 m Strand mit Eintritt) und an der Thien Cung-Grotte, welche in einem schönen psychedelischen Licht erstrahlt. Nicht umsonst gehört diese Bucht mit ihren 2000 Inselchen zum UNESCO Weltkulturerbe. Ein absolutes Highlight unserer Reise!

Ha Noi

Einfahrt nach Ha Noi

Nicht weit von Ha Long City liegt Vietnams Hauptstadt Ha Noi. Trotz 6 Millionen Einwohnern ist sie recht überschaulich. Gut 3 Mio. Mofas machen den Verkehr in der Stadt zu etwas Besonderem. Gerade in der Altstadt ist da zur Rush-Hour kaum ein Durchkommen. Wer dann zu Fuß durch Old Ha Noi trabt, der muss mehr auf Mofas und seine Gesundheit achten, als auf Geschäfte und Sehenswürdigkeiten. Fusswege finden sich zwar, leider aber nur unter den Reifen der dort parkenden Motorroller.

Ein wenig Natur finden wir am Hoan Kiem See, welcher heute noch Lebensraum einer riesigen Schildkröte ist. Angeblich bekommen Spaziergänger sie dort nur alle paar Monate zu Gesicht. Tatsächlich haben wir das Glück sie an der Wasseroberfläche zu entdecken. In der Nähe der Zitadelle besuchen wir Ho Chi Minh in seinem Mausoleum. Wer Onkel Ho besuchen möchte braucht Zeit und Geduld. Etliches Wachpersonal sorgt dafür, das keiner irgendwo versucht abzukürzen. Nicht mal über die Grünfläche vor dem Mausoleum darf man aus bestimmten Richtungen laufen. Alles hat seine Ordnung und die ist auch bitte einzuhalten!

Am Heiligen Abend steht in Höhe der Jadeberg Insel eine Bühne fürs Weihnachtsfest. Gefühlte und gerochene 3 Mio. Mofas verstopfen die Straßen vor der Bühne, weil keiner von seinem Mofa lassen kann und es bis vor die singende Kindergruppe mitmuss. Der clevere Mofafahrer weicht dann auf den Fußweg aus und versucht sein Glück dort. Die Polizei bleibt dabei ruhig auf ihren kleinen Plastikhockern im Stuhlkreis sitzen. Ha Noi ist quicklebendig anders.

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